Folge 3
…wie ich zum ersten Mal einem Menschen mit einem Mundschutz begegnete.
Das war schon früh, bei meinem ersten Zahnarzt-Termin, an den ich mich erinnere. Nichts Besonderes, nur Kontrolle. Meine Mutter, die mich begleitete, war sicher nervöser als ich. Arztbesuche hatten für sie, wie ich später feststellte, etwas Abschreckendes. Sie bemühte sich, ihre Anspannung zu verbergen. Mich beruhigte sie vorab, obwohl ich nicht wusste, warum eigentlich.
Den Zahnarzt sehe ich noch genau vor mir. Ich liege auf dem Behandlungsstuhl und beobachte, wie er sich, mir seitlich zugewandt, eine Maske über Mund und Nase stülpt, was mich an einen Ritter erinnert, der sein Visier runterklappt, um in den Kampf zu ziehen. Der Zahnarzt beugt sich über mich, zieht eine kleine kugelförmige Lampe von irgendwo da oben herunter, so dass sie mir in den Mund scheint und blickt aus nächster Nähe über den Rand seiner Maske auf meine Zähne. Außer dem Mundschutz sehe ich kleingekräuseltes schwarzes Haar seitlich an seinem Kopf und große dunkle Augen unter heruntergezogenen Brauen, dazwischen eine Stirnfalte. Ich empfinde einen stechenden Blick, der mir voller Skepsis scheint, als müsste ich mit dem Schlimmsten rechnen.
Das Schlimmste folgte bei meinen Zahnarzt-Besuchen nie, ab und zu etwas Unangenehmes. Aber das Bedrohliche hatte ein Gesicht. Etwas später erinnerte mich Gustaf Gründgens als Mephisto im Faust daran und danach auch der böse, der Horror-Clown.
Erstaunlicherweise sah meine Zwillingsschwester das ganz anders. Sie ging gerne zu diesem Zahnarzt, bei dem sie immer kleine Kaugummis bekam und sich ein Schmuckstück, eine Figur oder anderes Spielzeug aus Plastik aussuchen durfte. Dafür malte sie ihm hübsche Bildchen.
Mit Zahnärzten habe ich später viel erlebt. Teils abenteuerliche Geschichten, die zu erzählen hier zu weit führen würde. Aber mich schockierte das nicht wirklich. Sie alle trugen übrigens keine Maske.