Foto des Monats aus November 2007

Die Südmauer um 1912

Das Foto des Monats November zeigt den Blick entlang der Südmauer in westlicher Richtung mit Borgers‘ erster dampfmaschinenbetriebener Wattefabrik auf der linken Straßenseite. Der Fotograf stand mit dem Rücken zum heutigen Lucy Vollbrecht-Büschlepp-Platz, der neben dem damals schon abgerissenen Osthertor liegt. 2006 wurde der Platz vor dem Osthertor nach eben jener Bocholter Künstlerin benannt, die genau diese Aufnahme als Motiv für eine ihrer Zeichnungen verwendete (Unser Bocholt 1988, H. 3, S. 2). Das Foto dokumentiert das Straßenbild in der Bocholter Altstadt vor rund 90 Jahren, kurz nach der Kanalisierung und Elektrifizierung im ersten Bauabschnitt von 1910 bis 1914. Im Vordergrund sieht man den Einstieg zum neuen Kanalsystem. Im Zuge der Kanalisation und Bepflasterung – zuvor hatte die Straßendecke der Südmauer aus Findlingen bestanden – wurde auch der unbefestigte Stadtgraben am heutigen Südwall beseitigt, der hinter der Südmauer in die Binnen-Aa floss. Der verwilderte, stets überschwemmte Entwässerungsgraben hatte für die Anwohner eine ständige Verkehrsbehinderung und – besonders in den Sommermonaten schier unerträgliche -Geruchsbelästigung dargestellt. Bei Bauvorhaben hatte sich der verschlammte Boden in der Umgebung auf die Planung der Gebäudestatik ausgewirkt: Nachdem im Mai 1875 der Bau der „Wattenfabrik“ zwischen der damaligen „Neuthor Mauerstraße“ (Südmauer seit den 1880er Jahren) und dem Stadtgraben1 genehmigt worden war, sah sich Unternehmensgründer Johann Borgers „genöthigt, (…) wegen des schlechten Baugrundes von den Gewölben Abstand zu nehmen,“2‚ der damals üblichen Bauweise. Kurzerhand ließ der Bauherr im Oktober und November 1875 „anstatt dessen eiserne Säulen und T E(i)sen“ mit „Balken und Pliesterdecken“ anbringen3‚ und passte die Bauweise des neuen Fabrikgebäudes so an die Gegebenheiten des Baugrundes an.

1 Situacions & Bauzeichnung zur Anlage eines Dampfkessels für Herrn Joh. Borgers zu Bocholt, 15.12.1875.

2 Genehmigungsgesuch von Johann Borgers an den Bürgermeister Degener, 1.8.9.1875 (StadtA Bocholt: 70/K10)

ebd. Pliesterdecken bestanden aus dünnen Holzleisten, die in Abständen unter die Deckenbalken angebracht und anschließend verputzt wurden.

Literatur: J. Simon: 40 Jahre Stadtentwässerung und Straßenbau in Bocholt, in Unser Bocholt 1951 Heft 3, S. 58ff.

 

Vielen Dank an Wolfgang Tembrink vom Stadtarchiv!