Ahmed, die Zeit und das Glück (III)

Pünktlichkeit ist derzeit nicht das große Thema – wo doch so viele Veranstaltungen nicht stattfinden. Ein Thema ist sie allerdings häufig, wenn jemand von einer Kultur in eine andere kommt. So wie der Ägypter Mossad Moussa, der inzwischen schon lange in Bocholt lebt. Im Rahmen der Interkulturellen Projektwerkstatt der VHS hat er eine Geschichte mit autobiographischen Anleihen geschrieben, in der es um Pünktlichkeit geht. Und es zeigt sich, dass sie durchaus aktuell ist in einer Situation, in der wir gerade Zeit neu erleben.

„Ahmed, die Zeit und das Glück“ ist eine schön und spannend erzählte Geschichte zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Erinnerung und Erwartung, zwischen Traum und Realität. In drei Teilen veröffentlichen wir sie hier – als einen angenehmen Zeitvertreib. Die Illustrationen besorgte Achim van Nörden. Copyright für Text und Bild beim Autor. Hier der dritte Teil.

 

AHMED, DIE ZEIT UND DAS GLÜCK (Teil 3)

Ahmed stand da wie gelähmt. Da sah er einen langen roten Bart, der aus der beginnenden Dunkelheit auf ihn zukam. Es war einer der dänischen Seeleute, ein Kollege, den er gut kannte. Er stand am Bug eines kleinen Bootes, Beiboot des großen Schiffes. „Ahmed“, rief er, „Ahmed, spring! Schnell!“ Ahmed holte tief Luft, zwang sich zu Selbstvertrauen, dachte ganz kurz an die Rettungsübungen, an denen er teilgenommen hatte. Dann sprang er.

An Bord des kleinen Bootes blieb er stumm. Er konnte nicht sprechen, warum auch immer, konnte sich bei den Männern nicht bedanken. Aber dann lächelte er, und sie lächelten ihn an. Er war wieder bei seinen Kameraden, seinen Freunden auf hoher See.

Das Boot brachte Ahmed zu seinem Schiff. Als er es betrat, empfingen ihn Beifall und Pfiffe der Begeisterung. Crew und Passagiere hatten die Aktion mit Spannung verfolgt.

In seiner eigenen kleinen Kabine atmete Ahmed tief durch. Er betrachtete sich im Spiegel. Er trug seine Dienstkleidung als Steward, und nachdem alles noch einmal gut gegangen war, würde das so bleiben. Sein Verstand machte ihm Vorwürfe. Aber in seinen Augen erblickte er Vergnügen. Zeit hat einen Preis, sagte der Verstand. Sie hat einen Wert, sagte das Herz.

Ahmed hatte das Gefühl, das Stampfen der Motoren des Fahrt aufnehmenden Schiffes unter seinen Füßen zu spüren. Er glaubte die Bugwelle zu sehen, welche die Dana Sirena energisch aufwarf. Und ihm war, als dringe das Zischen der Gischt in seine Ohren.  Ahmed lächelte. Ein Lächeln der Gelassenheit, der Befriedigung, des Seelenfriedens.

Draußen zog die Nacht vorbei. Sacht breitete sie ihren dunklen Vorhang über den Wogen aus, mit denen nun das Mondlicht spielte.

 

Ein herzliches Dankeschön möchte ich Jochen Freund für sein Engagement und die Vermittlung dieser schönen Geschichte aussprechen!