Foto des Monats September 2010
Die Turmruine an der Salierstraße
Vor wenigen Tagen begannen an der Karolingerstraße die Bauarbeiten für die runde Mensa neben der Arnold-Janssen-Schule. Auf der Grünanlage dieser Hauptschule, dort, wo der Speisesaal vorgesehen ist, stand bis Mitte der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die runde Turmruine eines größeren Privathauses.
Der Bauunternehmer Wilhelm Koch hatte dieses dreigeschossige Wohnhaus mit der Adresse Salierstraße Nr. 12 im Jahre 1897/98 erbaut. Der Entwurf stammte von seinem Sohn, dem Hagener Architekten Bernhard Koch. Ein Gebäudeteil erstreckte sich längs der Salierstraße, ein weiterer zur Karolingerstraße hin. Genau an der Straßenecke verband schließlich ein runder turmartiger Zwischenbau mit Haupteingang beide Gebäudeflügel. Dieser reichlich verzierte und mit Elementen der Renaissance und Romanik gestaltete Turmbau war mit fünf kleinen Giebeln bekrönt. Den Abschluss bildete indes eine spitze, kirchturmartige Haube. In seinem Inneren befand sich das Treppenhaus, von wo man zu den Fluren der einzelnen Mietwohnungen gelangte.
Wilhelm Koch verkaufte das Haus später an den Bocholter Fabrikanten Werner G. H. Schwartz (1864-1940). Zu seinen Bewohnern gehörten anfangs u. a. die Fabrikanten Josef Kayser und Moritz Weyl, später der Gewerberat Karl Müller, der Zivilingenieur Ernst Friedrich Pieron sowie der Stadtkassenoberbuchhalter Heinrich Lueg. Beim Luftangriff auf die Stadt Bocholt am 22. März 1945 wurde das Wohnhaus von Bomben getroffen und zerstört. „Herbstwind umheult die Trümmer“, schrieb sechs Jahre später die Westfälische Rundschau und machte so auf den Verfall und die damit verbundenen Gefahren aufmerksam. Die massive, noch sehr ansehnliche Turmruine widerstand aber so manchem Sturm.
1956 erwarb die Stadt Bocholt das Trümmergrundstück von den Erben Schwartz, ließ die Ruine abbrechen und die Fläche nach Fertigstellung der neuen Arnold-Janssen-Schule mit Rasen begrünen. Dort fand Ende März 1959 die von dem Münchener Bildhauer Roland Friederichsen geschaffene runde Pater-Arnold-Janssen-Gedenksäule ihren Platz. Die nunmehr gänzlich aus dem Stadtbild verschwundene Ruine schien vergessen. Bei den kürzlich vorgenommenen Erdarbeiten zur geplanten Mensa aber kamen die zugeschütteten Kellerwände des einstigen Wohnhauses wieder zum Vorschein.
© Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink
Vielen Dank an Wolfgang Tembrink von Stadtarchiv für die Zusammenstellung!